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Die Gesellschaft für Philosophische Praxis lädt ein
zur Sommer-Akademie im Ultental
Eine Woche im „Haus der Philosophischen Praxis”
der Villa Hartungen
„Philosophie – Urlaub – Literatur”
„Aus dem Leben eines Taugenichts”
Sommertage zur Philosophie des Müßiggangs,
zur Feier romantischer Naturseligkeit
und frohgemuter Gotteszuversicht
und wie all das im Dialog Byung Chul Han's mit der Mystikerin Simone Weil, im
„Sprechen über Gott”
ernst wird.
Samstag, 19. Juli, bis Samstag, 26. Juli 2025
Joseph von Eichendorffs hochromantische Erzählung Aus dem Leben eines Taugenichts ‒ und das in diesen turbulenten Zeiten?
Allerdings! Hören wir dazu Thomas Mann ‒ welchen berufeneren Zeugen wüßte ich aufzurufen? ‒, der in seinen „Betrachtungen eines Unpolitischen”die Vorstellung ...
... eines alten, deutschen ... Buches ankündigt, das ... sich auf eine heute schlechthin verblüffende Weise im Stande politischer Unschuld und Ruchlosigkeit befindet: ich meine den ›Taugenichts‹, Joseph von Eichendorffs wundersam hoch und frei und lieblich erträumte Novelle, die wir alle in unserer Jugend gelesen haben, und von der uns allen all die Zeit her ein feiner Saitenschlag und Glockenklang im Herzen nachgeschwungen hat. ...
Der Roman ist nichts als Traum, Musik, Gehenlassen, ziehender Posthornklang, Fernweh, Heimweh, Leuchtkugelfall auf nächtlichen Park, törichte Seligkeit, so daß einem die Ohren klingen und der Kopf summt vor poetischer Verzauberung und Verwirrung. Aber er ist auch ... ein deutsch-romantisch gesehenes Künstler-Italien, fröhliche Schiffahrt einen schönen Fluß hinab, während die Abendsonne Wälder und Täler vergoldet und die Ufer von Waldhornklängen widerhallen, Sang vazierender Studenten, ... Gesundheit, Frische, Einfalt, Frauendienst, Humor, Drolligkeit, innige Lebenslust und eine stete Bereitschaft zum Liede, zum reinsten, erquickendsten, wunderschönsten Gesange ...
Und zum Charakter des Taugenichts:
Seine Bedürfnisse schwanken zwischen völligstem Müßiggang, so daß ihm vor Faulheit die Knochen knacken, und einem vag-erwartungsvollen Vagabundentriebe ins Weite ... Er ist von der Familie der jüngsten Söhne und dummen Hänse des Märchens, von denen niemand etwas erwartet und die dann doch die Aufgabe lösen und die Prinzessin zur Frau bekommen. Das heißt, er ist ein Gotteskind, dem es der Herr im Schlafe gibt, und er weiß das auch.
Um alles auf den reinsten Nenner zu bringen und das Ausgeführte kurz zu fassen:
Er ist Mensch, und er ist es so sehr, daß er überhaupt nichts außerdem sein will und kann: eben deshalb ist er der Taugenichts. Denn man ist selbstverständlich ein Taugenichts, wenn man nichts weiter prästiert, als eben ein Mensch zu sein.
Genug der Ankündigung, um Lust auf die Lektüre zu machen? Vielleicht eines noch: Ist der Taugenichts am Ende womöglich doch nicht nur der „poetische Anarchist und Tagträumer”, sondern eher noch „der Narr in Christo”, als den ihn Rüdiger Safranski ausgibt?
So oder so, ich rate, „dies in Gott vergnügte Büchlein”* nicht in der Stube hinterm Schreibtisch zu lesen, sondern draußen, irgendwo in frischer Luft am Waldrand oder auch in einer Lichtung auf einem Baumstumpf sitzend zu genießen.
Doch dann und danach, wenn Ihr Euch dieser Lektüre erfreut habt, rate ich Euch zu einem Lese-Ereignis sondergleichen ...
Mir jedenfalls ist ein solches kürzlich widerfahren in Gestalt eines kleinen, schmalen Taschenbüchleins, von dem ich nicht anders als mit fassungsloser Freude berichten kann: ein Heftchen, nicht mehr, verlegt von Matthes&Seitz in Berlin ‒ im deutschsprachigen Raum der interessanteste Büchermacher seit geraumer Zeit ‒, verfaßt von Byung-Chul Han, jenem stillen, gleichwohl weltweit vernehmbaren Autor, von dem nach seinen bisher uns zugemuteten Veröffentlichungen wohl Außerordentliches zu erwarten war, doch, ums schlankweg zu gestehen: ein solches Buch, das mich sogleich an das geheimnisvolle Wort Kafkas denken ließ, ein Buch habe wie „die Axt für das gefrorene Meer in uns” zu sein, ein solches, ich meine damit: dieses Buch hatte ich nicht erwartet. Doch halt! ‒ es ist kein „Buch”, es ist ein Ereignis ! Es ist, als treffe uns nach langer, drückend über allem lagernder Verhangenheit und unheilschwangerer Trübe und Düsternis ein erster morgenheller, sonnenklarer Lichtstrahl und einen Spalt weit täte sich der Himmel auf, jener „ganz andere Ort”, von dem die Besten unter uns Menschen „empfingen”, und ihnen gingen die Augen auf.
Und da kommt nun also ein Mensch, ein Philosoph zudem, und spricht in diesem Buch wie der Erste eines neuen Äons, wie einer, der wundersamerweise aus den Befangenheiten und Verstrickungen einer alles vermüllenden Moderne freikam und offenbar in der frischen Luft eines gänzlich neuen Tages erwachte ‒ und wir, seine Leser, sofern wir für seine Botschaft empfänglich sind, mit ihm.
Wie war das möglich? Wie wurde das möglich?
Durch die Begegnung mit einer Frau, einer freilich außerordentlichen, unvergleichlichen, einer verzweifelt begabten und schmerzlich erleuchteten, einer sozial-engagiert Einsamen, einer aus jenen „Auserwählten” auserwählten, einer Rebellin der Demut, einer taghell-nüchternen Mystikerin, Philosophin, Prophetin, die mittlerweile ‒ o Wunder! ‒ selbst aufgeklärt Abgeklärte in Versuchung stürzt, sie als Heilige einer zukünftigen Religion zu verehren: Simone Weil.
Heinrich Böll bekannte einmal von ihr:
Ich bin ihr nicht gewachsen, intellektuell nicht, moralisch nicht, religiös nicht. Was sie geschrieben hat, ist weit mehr als ‚Literatur‘, wie sie gelebt hat, weit mehr als ‚Existenz‘. Ich habe Angst vor ihrer Strenge, ihrer sphärischen Intelligenz und Sensibilität, Angst vor den Konsequenzen, die sie mir auferlegen würde, wenn ich ihr wirklich nahe käme.
Das ist bemerkenswert, weil einer ihr nun doch „nahe kam”, offenbar ohne „Angst vor ihrer Strenge” und „sphärischen Intelligenz”, eben der in Deutschland lebende Byung-Chul Han, der sein Büchlein „Sprechen über Gott” als „Dialog mit Simone Weil” angelegt hat und gleich eingangs bekennt:
Vor einiger Zeit ist Simone Weil in mich eingezogen. Sie hat sich in meiner Seele eingerichtet. Nun lebt und spricht sie in mir weiter. Ich begann ein inneres, inniges Gespräch mit ihr. Ich empfand eine tiefe Zuneigung zu ihren Gedanken. Sie sprach etwas in meiner Seele an, dessen ich mir bisher nicht eigens bewusst war, das ich aber ständig, ja inständig in mir trug. Sie trat in mein Leben in einer Zeit, in der ich selbst jene Kraft spürte, die von oben kam, die stärker war als ich selbst, die 1937 Simone Weil in der kleinen romanischen Kapelle in Assisi Santa Maria degli Angeli, wo der heilige Franziskus oft betete, auf die Knie zwang.
Dieses geistige Zwillings-Wesen ‒ die 1943 vierunddreißigjährig Verstorbene und der heute sechsundsechzigjährige Philosoph ‒ hat ein Werk ohnegleichen zur Welt gebracht. Ich wage das Äußerste: es ist eine Offenbarung.
Warum aber berichte ich davon?
Weil seitdem mein Vorsatz ist, die bevorstehende Sommer-Akademie um dieses Buch anzureichern. Eichendorffs wundervolle Erzählung „Aus dem Leben eines Taugenichts” soll im Mittelpunkt stehen, wie angekündigt. Doch ergänzt und fortgesetzt gleichsam mit jenem gerade druckfrisch erschienenen Büchlein wird sich erweisen: eben jene Impulse, die von der äußersten Romantik ausgingen ‒ der Auszug aus der rationalen Kälte der Aufklärungsepoche ‒, wirken jetzt bei Byung-Chul Han und schon in den Weil’schen Tiefgängen nicht nur fort, sondern sie kommen überhaupt und erst jetzt an ihr vorbestimmtes Ziel. So wie damals die Romantiker erkannten, unter dem Diktat schon der Frühmodernen verkümmere die Seele, so protokolliert heute Han unser Elend im digitalen Zeitalter unter dem neoliberalen Regime:
Nicht Gott ist tot. Tot ist der Mensch, dem sich Gott offenbarte.
Etwas kommt hinzu: Beschließt Han’s Gespräch mit Simone Weil das Kapitel „Untätigkeit”, so erleben wir auch sonst, der Taugenichts bekommt in unseren Tagen seinen erneuten Auftritt. Trägt doch das soeben erschienene Sonderheft des PhilosophieMagazins den Titel: „Die Kunst des Nichtstuns”! Tatsächlich aber geht es auch darin um mehr als ums Nichtstun, es geht darum, daß uns „etwas aufgeht”.
Um also zuletzt den Bogen zu schlagen: Zitierte ich im Programmblatt das Wort des Thomas Mann zum Taugenichts ...
Er ist Mensch, und er ist es so sehr, daß er überhaupt nichts außerdem sein will und kann: eben deshalb ist er der Taugenichts. Denn man ist selbstverständlich ein Taugenichts, wenn man nichts weiter prästiert, als eben ein Mensch zu sein.
... so ließe sich nun aus jenem Sonderheft der Philosophie-Zeitschrift eine Wendung Adornos aus dessen „Minima Moralia” dazugesellen, entnommen dem Denkstück „Sur l’eau”, das die philosophische Haltung der Kontemplation der betriebsamen Hektik unserer Tage entgegensetzt:
Rien faire comme une bête, auf dem Wasser liegen und friedlich in den Himmel schauen, »sein, sonst nichts, ohne alle weitere Bestimmung und Erfüllung« könnte an Stelle von Prozeß, Tun, Erfüllen treten ‒ [ein Bild] vom ewigen Frieden.
Sollte diese gedanklich-geistige Korrespondenz ein Zufall sein ...?
Kurzum: Solches Zu-sich-Finden im Frieden ‒ Adorno nennt es das Bild „erfüllter Utopie” ‒ wird das Thema unserer diesjährigen Sommer-Akademie sein ‒ mit dem Erz-Romantiker Joseph von Eichendorff, der außerordentlichen Philosophin Simone Weil und ‒ keineswegs als „Zugabe” nur ‒ dem nicht weniger außerordentlichen Byung-Chul Han.
* Das „in Gott vergnügte Büchlein” ist eine Wendung von Thomas Mann, der so freilich liebevoll sein Spätwerk „Der Erwählte” bezeichnete. Es paßt jedoch so glänzend auf Eichendorffs „Taugenichts”, daß ich’s mir zu diesem Zweck auszuleihen wagte.
Alles Nähere, Ab- und Anreise, Kosten, Versorgung usw. siehe hier.
Der „Austragungsort”: Das „Haus der Philosophie”, die Villa Hartungen in Sankt Nikolaus / Ulten in Südtirol.Warenkorb
Eine Woche jetzt im Juli: Die Ultener „Sommer-Akademie”
„Aus dem Leben eines Taugenichts” und
„Sprechen über Gott”
19. Juli bis 26. Juli
Alles Nähere dazu hier.
Das neue Buch ist erschienen: „Philosophie der Philosophischen Praxis”
Das Buch: „Zur Einführung der Philosophischen Praxis”
Meine Dissertation über Hegel
1981 in Gießen bei Odo Marquard zum Thema „›Selbstverwirklichung‹ oder ›Die Lust und die Notwendigkeit‹. Amplifikation eines Hegelschen Kapitels aus der ›Phänomenologie des Geistes‹” abgelegt, ist ab jetzt hier im pdf-Format

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