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    Die philosophisch-literarischen Tage zum Auftakt des Neuen Jahres
    im Haus und in den Räumen der GPP in Bergisch Gladbach/Paffrath

Von Freitag, dem 6. Januar, bis Sonntag, den 8. Januar 2023

   

Thomas Mann und die Deutschen


  

Thomas Mann (1937)Thomas Mann (1937)

Nachdem am 21. Februar 1938 die „Queen Mary” am New Yorker Pier angelegt hatte, und Thomas Mann ordnungsgemäß familiär begleitet von Bord gegangen war, erwartete ihn am Fuße des Landungsstegs bereits eine dicht gedrängte Schar von Reportern. Denen diktierte der prominente Nobelpreisträger den später berühmt gewordenen Satz in die Notizblöcke:

       „Wo ich bin, da ist Deutschland.”

Grandioser Auftakt zu einer fünfzehn Stationen umfassenden Vortragsreise, die »The Greatest Living Man of Letters« ‒ als der er angekündigt worden war ‒ von Ost nach West und von Toronto bis San Francisco bringen sollte und alles in allem etwa 43.000 Amerikaner in die Vortragssäle lockte. Thomas Mann habe sich angesichts dieses erstaunlichen Zudrangs gefragt: „Was erwarten diese Menschen? Ich bin doch nicht Caruso!” berichtet Hubert Spiegel, um aus eigener Vollmacht anzufügen: „Nein, der rühmte Tenor Enrico Caruso war Thomas Mann nicht. Aber er war etwas anderes. Er war Deutschland.”

Ich stimme zu. Darüber hinaus erlaube ich mir die Folgerung: Sofern dies wahr ist, wäre Deutschland ein in sich zerrissenes, anders gespaltenes Land. Und ich bekenne zugleich: Wenn es ein Deutschland gibt, auf das ich stolz bin, dem ich gern zugehöre, ist es das von diesem Mann repräsentierte Land, das „einem alten, reifen, vielerfahreren und hochbedürftigen Kulturvolk” zugehört, „das eine weltbürgerliche und hohe Klassik, die tiefste und raffinierteste Romantik, Goethe, Schopenhauer, Nietzsche, die erhabene Morbidität von Wagners Tristan-Musik erlebt hat und im Blute trägt”. (Deutsche Ansprache: Ein Appell an die Vernunft. 1930)

Soviel als Liebesbekenntnis zu diesem ganz und gar außerordentlichen Schriftsteller, von dem ich nicht zu sagen wüßte, ob es seine alles überragenden Romane oder ob es seine zum Teil buchumfänglichen Essays sind ‒ die „Betrachtungen eines Unpolitischen” eingeschlossen! ‒, denen unser höchstes Lob, Bewunderung und dankbare Verehrung gebührt, nicht weniger übrigens seine grundgescheiten Reden und anlaßgeschuldeten Interventionen, die er sich ein Leben lang als „unzeitgemäßer” Zeitbeobachter und Gewissensanrufer erlaubte, oft genug unter Inkaufnahme blanken Unverständnisses, hämischer Verhöhnung und muffigen Gemurres als Reaktion.

Blankes Unverständnis: jawohl! Das war erst kürzlich wieder zu sehen, als im Oktober in den Feuilletons die Erinnerung an jene große Rede »Von deutscher Republik« aufgefrischt wurde, die Thomas Mann einhundert Jahre zuvor im Beethovensaal zu Berlin gehalten hatte. Wieder einmal war zu lesen, diese Rede markiere den (überfälligen) „Bruch” mit seinem zuvor tief im 19. Jahrhundert verwurzelten Denken, mit ihr sei er „endlich” in der modernen Welt, in Demokratie und republikanischer Gesinnung angekommen und habe sich „von den Altlasten der »Betrachtungen« befreit”. Wer ihn so zu loben meint, demonstriert in Wahrheit seine Ignoranz und Unfähigkeit, Thomas Mann in jene Höhenregionen nachzufolgen, von denen aus er richtigstellt: „Die allgemeine Meinung” irre, die ihm einen solchen „Gesinnungswechsel” nachsage oder zugute halten wolle, denn er wisse „von keiner Sinnesänderung. Ich habe vielleicht meine Gedanke geändert ‒ nicht meinen Sinn.” Weiter heißt es im Vorwort zur Druckfassung der Rede: Der Autor der Rede „Von deutscher Republik” sei „derselbe” geblieben wie der jener beargwöhnten „Betrachtungen eines Unpolitischen”, die 1918 nach dem Ende des Krieges herauskamen.

... derselbe „in seinem Wesen und Sinn, und zwar so sehr, daß er denen sowohl, die ihn ob seines »Wandels« loben, wie denen, die ihn dafür des Verrates am Deutschtum zeihen, antworten darf: Dieser republikanische Zuspruch setzt die Linie der »Betrachtungen« genau und ohne Bruch ins Heutige fort, und seine Gesinnung ist unverwechselt, unverleugnet die jenes Buches; diejenige deutscher Menschlichkeit. Um ihretwillen hat der Verfasser mit vollkommener Geduld sich einen Reationär schelten lassen; er will’s überleben, daß man ihn heute als Jakobinier verruft um ihretwillen. Seine zweimalige Oppositionsstellung in der Zeit aber sollte zum mindesten auf einige Unabhängigkeit seines Gewissens schließen lassen und ihn gegen den Vorwurf schützen, er gebe charakterweich dem Einflusse irgendwelcher Kreise und Umgebungen nach oder hänge das Mäntelchen behend nach dem Winde.”

Wir werden jene Rede kennenlernen, dazu einiges aus den inkriminierten „Betrachtungen”, dazu die wortgewaltige „Deutsche Ansprache” ‒ im Untertitel „Ein Appell an die Vernunft”, 1930 wiederum im Berliner Beethoven-Saal gehalten als Warnung vor der heraufziehenden Politbarbarei, dem braunen Abhub mit seinem „Massenkrampf, Budengeläut, Halleluja und derwischmäßigem Wiederholen monotoner Schlagworte, bis alles Schaum vor dem Munde hat”. Da werde der „Fanatismus zum Heilsprinzip, Begeisterung epileptische Ekstase” und „Politik zum Massenopiat des Dritten Reiches”, was in Wahrheit nicht „deutsch” sei, sondern „Glieder werfende Unbesonnenheit”. Thomas Manns stiller Kommentar: „Und die Vernunft verhüllt ihr Antlitz.”

Schließlich möchte ich für die zum Kriegsende 1945 gehaltene, von menschlichster Versöhnungsgüte und Wohlgesonnenheit geprägte Rede „Deutschland und die Deutschen” einnehmen, dieses Wort - wie an die Sieger, so an die Besiegten -, das klarstellte, es gebe nicht ...

„zwei Deutschland, ein böses und ein gutes, sondern nur eines, dem sein Bestes durch Teufelslist zum Bösen ausschlug. Das böse Deutschland, das ist das fehlgegangene gute, das Gute im Unglück, in Schuld und Untergang.”

Diese vorzügliche Rede ‒ wäre sie nur verstanden worden! ‒, hätte uns damals den Weg in eine heilsame Erinnerungs-Pflichtschuldigkeit auftun können, heute aber kann sie uns helfen, die mittlerweile nur noch müde abgeleisteten Schuldbekenntnisse und Besserungsgelöbnisse zu überwinden, indem wir begreifen: Wir werden uns das Erbe der besten Traditionen Deutschlands erwerben müssen, um jene beispiellose Fatalität zu verstehen, der Thomas Mann nur zwei Wochen nach der Kapitulation Deutschlands mit dem herzbewegenden Schlußsatz der Rede nachrief:

„Der Gnade, deren Deutschland so dringend bedarf, bedürfen wir alle.”

Ich wage als Fazit: Soviel uns gelingt, uns in Thomas Mann zu finden, werden wir uns womöglich in heiterer Zuversichtlichkeit selbst wiederfinden. Dies die Hoffnung, die ich mit den „Philosophisch-literarischen Tagen” zum Auftakt des neuen Jahres, diesmal ´wieder im Haus und in den Räumen der GPP in Bergisch Gladbach / Paffrath.

Zuletzt: Was war doch einst der Stolz der Deutschen? Nicht, sie seien das Volk der „Dichter und Denker"? Ich denke, es war
Thomas Mann, der noch einmal diese Tradition fortsetzte und womöglich für immer in Vollendung abschloß - als sei er der Strich, gesetzt unter die Chronik des geistigen Deutschlands, so daß man glauben könnte, „es käme nichts mehr ..."

Seit vielen Jahren nun schon ‒ inzwischen verdient die Einrichtung den Ehrentitel einer Tradition ‒ veranstalte ich für die Gesellschaft für Philosophische Praxis GPP jeweils zum Auftakt des Neuen Jahres die „Philosophisch-literarischen Tage”, die bisher immer einem Gegenwartsautor gewidmet waren, der nicht nur als Schriftsteller, sondern ebenso als Essayist beziehungsweise „Denker” anerkennende Aufmerksamkeit verdient.
Diesem Profil entsprachen in den Jahren zuvor: Botho Strauß (2015), Bernhard Schlink (2016), Navid Kermani (2017), Martin Mosebach (2018), Martin Walser (2019) Michel Houellebecq (2020) und zuletzt Daniel Kehlmann (2022).

Nun hätte ich keinerlei Bedenken, Thomas Mann einen „Gegenwartsautor" zu nennen - mir ist er so gegenwärtig wie sonst nur Goethe ... -, doch, ich weiß, mancher wird dies anders sehen. Dennoch: Thomas Mann ist im Grunde das ewige Vorbild, der eigentliche Repräsentant, die vollendete Gestalt jenes Schriftstellers, der nicht nur Literatur produziert, sondern sich in besonderer Verantwortung seiner Zeit und Welt gegenüber verstand. Als solcher soll er an diesem Wochenende zu Worte kommen und gewürdigt werden.

Wenn in diesem Fall sein essayistisches Werk - zu dem seine Reden gerechnet werden - im Mittelpunkt steht und als Auswahl
daraus einige der inzwischen als „legendär" geltenden, hochbrisanten Stellungnahmen zu Deutschland und den Deutschen,
so heißt das selbstverständlich nicht, es hätten alle Seitenblicke - vor allem auf den diesbezüglich einschlägigen Roman „Doktor Faustus” - zu unterbleiben ...

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