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Der verschlossene Himmel
‒ oder: Auf der Suche nach der verlorenen Freiheit

Philosophische Frühlingstage im
      „Landhaus Himmelpfort am See”

Von Sonntag, dem 21. April, bis Donnerstag, den 25. April 2024

Dozent: Dr. Gerd B. Achenbach


  

Das Landhaus Himmelpfort am See / Vom Seeufer aus gesehen    [Bildquelle: Himmelpfort]

Das Landhaus Himmelpfort am See / Vom Seeufer aus gesehen [Bildquelle: Himmelpfort]


Zu unserem Vorhaben

Was hat ein „verschlossener” (oder „verschlissener”?) Himmel mit Freiheitsverlusten zu tun? Verhält es sich nicht umgekehrt? Ertönten nicht die Freiheitsparolen, als man meinte, der Himmel habe nicht mehr mit‒, vor allem und schon gar nicht dreinzureden? Ist es nicht das Säkulum der Säkularisierung, über dem die Freiheit aufging wie das lang ersehnte Morgenrot? Heißt Freiheit nicht: „Schluß mit himmlisch sanktionierter Vormundschaft!”, „Selbstbestimmung!”, „Unabhängigkeit!”, Aufklärung und Emanzipation ‒ politisch: der selbstbewußte Citoyen gegen Adel, Fürstenmacht und Obrigkeit, schließlich Demos-Herrschaft, repräsentativ entschärft?
Ja und nein.
Denn: kaum war die erste Euphorie verflogen ‒ ertränkt im Blut von „la terreur”, die Guillotinen machten ganze Arbeit, die Revolutionäre fraßen ihre Kinder ‒, bemerkten die Romantiker ‒ sie als die Ersten! ‒, was im Taumel der Befreiung übersehen wurde: Über dieser neuen Welt, die „nurmehr Welt war”, zog der Himmel zu, verstummte, und der Blick hinauf ging irgendwie ins Leere, da war ‒ jedenfalls im Zweifelsfalle ‒ nichts und niemand mehr, der Anteil nahm, sich für des Menschen Wohl und Wehe interessierte und ihn erwartete, wenn mit seiner Erdenlaufbahn Schluß war.
Ich bediene mich einmal der feinen Nuancierung, wie sie dem Engländer vertraut ist: vom „heaven” blieb nur „sky” zurück, schlechte, gleichgültige, kalt abweisende Unendlichkeit. Und im traurigen Gedicht von Eichendorffs wird das „Einst” nur noch in bangem Konjunktiv beschworen:
     Es war, als hätt der Himmel
     Die Erde still geküßt ...
Melancholischer Märchenton: Es war ... als hätt ... ‒ ja: hat er nun? Und dann der zauberhafte Schluß:
     ... meine Seele spannte
     Weit ihre Flügel aus,
     Flog durch die stillen Lande,
     Als flöge sie nach Haus.
Als flöge sie ... Aber eben solches „Nach-Hause-Kommen”, Wissen, wo wir hingehören, wo wir an- und unterkommen, wo für uns Einkehr vorbereitet ist, Heimat letzten Endes, die unser „Woher” ist und unser „Wohin”, Zukunft und Herkunft, und eins schlingt sich ins andere, eins nimmt das andere auf, solche ‒ um das veraltete Wort nicht zu scheuen ‒ „Geborgenheit” ging verloren. Doch einzig, wo Geborgenheit ist, sind wir Menschen ‒ seit eh und je die geborene Höhleneinwohner und ausgelieferte Unterschlupfsucher ‒ frei.
Erst jetzt und sofern wir dies verstanden haben, verstehen wir zugleich die Suchbewegungen des neuzeitlichen, heutigen, modernen, „dreidimensionalen” Menschen (die Ewigkeit des Himmels war die vierte Dimension!), jetzt erst sind wir in der Lage, die unzähligen Angebote zur Deckung der noch nirgends recht begriffenen Nachfrage zu entziffern: die verführerische Suggestivität von Volk, Nation, Rasse hier und Klasse dort, den Kult, den man der Liebeshingerissenheit bereitet, die Ergebenheit, mit der man den Parteien Opfer bringt oder sich Gemeinschaften und Gruppen anschließt, sei es nun zu frommer Übung, sei es im Stuhlkreis zu esoterischer Verrückung oder zu psychischer Bemühung um die inneren Befindlichkeiten: Frei fühlt sich der Mensch, wo er unter Seinesgleichen ist, wo er dazugehört, bemerkt wird, sich willkommen fühlt, und so formiert er sich im Sinne einer Weltanschauung, ist er in Gesinnungen „zuhause”, hängt er mit anderen derselben Meinung an, kurz: die Suche nach „Identität” geht los.
Doch da wartet schon die nächste Unerfreulichkeit: Was unser Zeitmitläufer auch sucht, er bleibt davon ausgeschlossen, sofern er nicht bereits dazugehört: Wirkliches, wahres Dazu- und Dahingehören wird nicht gefunden, weil man es suchte, sondern wir finden uns darin, weil wir gefunden wurden. Die unvergleichliche „Identität” des Judentums führt es vor Augen: da stand der Glaube Pate, nicht das Volk habe sich den Gott erwählt, sondern Gott das Volk.

Reicht dies soweit als thematischer Aufriß? Ist deutlich, was ich mir vorgenommen habe?

Philosophisches Denken, Nachdenklichkeit „in Aktion” mit andern Worten, solide Übersichtserkundung oder der Versuch, ein tiefengeschichtlich weites Panorama zu entfalten, die Erzählung einer metaphysischen Kurzgeschichte, wie mein Lehrer Marquard das nannte, und deren Auslegung im Dienst fundierter Gegenwartskenntnis.

... und dies alles
     auf den Spuren Theodor Fontanes
     als Wanderer durch die Mark Brandenburg


Ich weiß, der Zusammenhang mit unserem Thema ist nicht sogleich ersichtlich. Darum erläutere ich, was ich vorhabe.
Am letzten Abend, Mittwoch, werde ich ausgewählte Passagen aus dem „Stechlin” und aus den „Wanderungen durch die Mark Brandenburg” lesen. Und die Stationen, die darin eine herausragende Rolle spielen und allesamt in der Nähe unseres „Standortes” liegen, werden wir tags darauf, am Donnerstag, zum Abschluß unserer Akademie im Rahmen eines Tagesausflugs besuchen.

Der große Stechlinsee
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Der große Stechlinsee

Da ist der Stechlinsee , dem die sonderbare Eigenschaft nachgesagt wurde, unterirdisch und geheimnisvoll mit den bedeutenden Ereignissen der Weltgeschichte in Beziehung zu stehen ‒ eine großartige Idee: Symbol jenes Philosophierens, um das wir uns in jenen Tagen bemühen werden. (Siehe dazu hier  die einschlägige Passage aus Fontanes Roman.)

Da ist Schloß Rheinsberg , wo der junge Friedrich, der spätere „Große”, oft mit Voltaire zusammensaß und über „Gott und die Welt” diskutierte ‒ bis am Ende (unser Thema!!) nichts als „Welt” übrigblieb. Das begriffen damals bereits einige der aufgeweckteren Zeitgenossen Friedrichs als das „Verhängnis der Politik” unter den Auspizien der Moderne, denn wirklich war damit der Diktatur der Weg bereitet, den nur ein halbes Jahrhundert später vorbildlich Napoleon betrat, während die „Führer” des vergangenen Jahrhunderts ‒, Mussolini, Franco, Hitler, Stalin, Mao ‒ jene „route Napoleon” nur weitermarschierten.

Schloß Rheinsberg
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Schloß Rheinsberg

In Rheinsberg saß aber außerdem ‒ auch noch nachdem sein Bruder als Regent nach Potsdam gewechselt war ‒ Prinz Heinrich, der uns ganz anders als Repräsentant einer „aufgeklärten” Neuzeit interessiert: Der schenkte seinem „Günstling”, Major Kaphengst, das nahegelegene Schloß Meseberg , das mit außerordentlichen Mitteln (23 Gemälde wurden zu diesem Zweck an die Zarin Katharina die Große verkauft) für diesen „post-konventionellen” Lebemann aufwendig restauriert wurde. Heute ist das Schloß das „Gästehaus der Bundesregierung”, weshalb wir uns das Anwesen nur ansehen, nicht jedoch besichtigen können.
Nicht zuletzt aber wird uns ‒ im Kontrast dazu ‒ die Geschichte des Zisterzienserklosters „Himmelpfort” beschäftigen, Namensgeberin des Ortes, in dem wir zu Gast sind und dessen Ruinen noch heute zu besichtigen sind.

Seit vielen Jahren ist die „Frühlings-Akademie” fester Programmteil im Jahreslauf der Gesellschaft für Philosophische Praxis GPP. Nach und nach wurden einige der großen, bedeutenden Namen der Philosophie, herausragende Ausnahmegestalten des weltbewegenden Denkens allesamt, vorgestellt: Sokrates, die Stoa, mein Freund Montaigne, dann Rousseau, Kant, Hegel, Schopenhauer, Carl Schmitt, das „Doppelgespann” Dostojewski und Kierkegaard und zuletzt, in Buckow, Ernst Blochs Philosophie der Hoffnung. Und jetzt? Keiner der großen Namen?
Ursprünglich gedacht war an Walter Benjamin, der zweifellos ein denkbar ehrenwerter Nachfolge in jener Reihe gewesen wäre.
Doch dann entschloß ich mich, im Sinne einer „metaphysischen Kurzgeschichte” den Entwurf der geistigen Physiognomie der Neuzeit zu wagen ‒ ein Abenteuer ...
So wird zuletzt eine vor zwei Jahren begonnene Reihe zu den großen Begriffen der Philosophie fortgesetzt - nach „Wahrheit” (Dostojewski/Kierkegaard) und „Hoffnung” (Bloch) nun die „Freiheit”.

Das Programm bzw. einige Themenschwerpunkte:

Der radikale Atheismus geht von Frankreich aus, verabredet in Pariser Salons.
Voltaires Einfluß auf den jungen Friedrich II. und erste Bedenken: Fragen der „politischen Theologie”.
„Sattelzeit” 1770 ‒ oder: „als die Weltgeschichte die Pferde wechselte”.
Die Französische Revolution, Glaube an die Vernunft, Herrschaft der Gesinnung und der Marquis de Sade.
Napoleon als die erste Gestalt der Moderne und das große Reinemachen. („Säkularisierungs-Thesen”)
Diesseits / Jenseits ‒ Schluß mit der Weltverdoppelung!
Die Verweltlichung der Welt, „fröhlicher Nihilismus” und die Macht des Schreckens.
Hegel und Kierkegaard denken über Freiheit nach.
Virulente Heimatlosigkeit und die Suche nach Identität.
Becketts „Warten auf Godot” und Julian Barnes „Nichts, was man fürchten müsste”.

Literatur:

Vorgestellt werden u. a. Werke von Voltaire, Friedrich II., Kierkegaard („Eine literarische Anzeige”), Nietzsche (verschiedenes), Marquis de Sade, Beckett und Julien Barnes.
Dazu als Lesung: Passagen aus „Der Stechlin” und den „Wanderungen durch die Mark Brandenburg / Die Grafschaft Ruppin” von Theodor Fontane.

Alles Nähere dazu - Kosten, An- und Abreise, das Programm, der Tagesausflug usw. - siehe hier.

 




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Meine Dissertation über Hegel



1981 in Gießen bei Odo Marquard zum Thema „›Selbstverwirklichung‹ oder ›Die Lust und die Notwendigkeit‹. Amplifikation eines Hegelschen Kapitels aus der ›Phänomenologie des Geistes‹” abgelegt, ist ab jetzt hier im pdf-Format  nachzulesen.

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