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6. Treffen [Philosophische Praxis Gerd B. Achenbach] || nach oben springen || Startseite Achenbach-PP.de

Rückblick auf den 6. Block, der am Wochenende 20./21. Jan. 2007 in Bergisch Gladbach stattgefunden hat: Für Freitag, den 19. Jan., hatte ich einen Vortrag auf das Programm gesetzt, der das Wochenende geeignet einleiten und ergänzen sollte und zu dem alle Teilnehmer des Weiterbildungskurses als Gäste eingeladen waren: "Zur Beantwortung der Frage: Was ist Ehrfurcht?"
Bei Kant, der uns am Wochenende primär beschäftigte, hieß die Ehrfurcht zwar "Achtung" und war nicht vollends dasselbe,und doch konnte diese Eröffnung gut in das Wochenende einführen.

Und hier das Programm im Überblick:

Kants "Anthropologie in pragmatischer Hinsicht" stand im Mittelpunkt, dazu sein "Antwortschreiben an Herrn Hofrat und Professor Hufeland", das unter dem Titel "Von der Macht des Gemüts durch den bloßen Vorsatz seiner krankhaften Gefühle Meister zu sein" im Rahmen seiner Spätschrift "Der Streit der Fakultäten / Dritter Abschnitt: Der Streit der philosophischen Fakultät mit der medizinischen" veröffentlicht wurde.

Zugleich hat uns ein Referat mit dem Menschenkenner und Aufklärer Freiherr von Knigge "Über den Umgang mit Menschen" bekanntgemacht und ein weiteres mit dem "Handorakel der Moral" des Baltasar Gracián in der klassischen Übersetzung Arthur Schopenhauers.

Was diese beiden Autoren angeht, so war unsere Hoffnung nicht etwa (so wenig wie bei der Rezeption Kants), vom ästhetischen Zyniker Gracian oder vom aufrechten Knigge ließen sich handfeste Anweisungen einstreichen, wie Menschen zu raten sei. Bei weitem nicht!

Wohl aber ging es darum, anhand dieser Ausnahmedenker Haltungen und Einstellungen zu studieren und zuvor verläßlich zu unterscheiden - "die Geister zu unterscheiden", wie es einmal hieß -, um dann etwa die Voraussetzungen zu verstehen, die dem Freiherrn gestatteten, seine so wundervoll schwebende Heiterkeit zu entwickeln und zu bewahren.

Wer aber sensibel geworden ist für die nachsichtige Menschenfreundlichkeit Knigges, dessen Ohr ist vorzüglich vorbereitet für die heiteren Tonlagen des Königsbergers ...

Das Programm im einzelnen:

Ich selbst habe einiges Allgemeine zu Kants „Anthropologie in pragmatischer Hinsicht” vorangestellt, zumal zu ihrer Bedeutung für die Philosophische Praxis.
Danach wird ...
Dr. Barbara Hawellek hat die Abschnitte „Von dem Beobachten seiner selbst” und „Von den Vorstellungen die wir haben, ohne uns ihrer bewußt zu sein” vorgestellt, und dabei auch gezeigt, was sie als Psychiaterin von den Abschnitten über die „Gemütsschwächen” und die „Gemütskrankheiten” hält;
Frederik Schlenk machte uns mit Kants (verblüffender?) „Apologie für die Sinnlichkeit” bekannt;
ich selbst habe Anmerkungen zum Kapitel „Vom Können in Ansehung des Erkenntnisvermögens überhaupt” einfügt;
danach hat Margret Zemp das wirklich sehr erstaunliche Kapitel ”Von dem erlaubten moralischen Schein” vorgestellt - ein Abschnitt, der angehende Philosophische Praktiker gründlich beschäftigen sollte ...;
wiederum habe ich auf eine bemerkenswerte Passage im Abschnitt „Vom inneren Sinn” aufmerksam gemacht - er lautet: Eine „Verstimmung des Gemüts kann nicht füglich durch vernünftige Vorstellungen (denn was vermögen die wider vermeinte Anschauungen?) gehoben werden. Der Hang, in sich selbst gekehrt zu sein, kann, samt den daher kommenden Täuschungen des inneren Sinnes, nur dadurch in Ordnung gebracht werden, daß der Mensch in die äußere Welt, und hiermit in die Ordnung der Dinge, die den äußeren Sinnen vorliegen, zurückgeführt wird.”
Bereits aus dem zweiten Buch hatte uns Mirjam Musica den Abschnitt „Von der sinnlichen Lust” (incl. „Von der langen Weile und dem Kurzweil”) referieren wollen, was jedoch auf das nächste Wochenende vertagt wurde;
„Von den Leidenschaften”, wie sie Kant uns vorstellt, einschließlich der Abschnitte „Von der Freiheitsneigung als Leidenschaft” sowie den kleinen Kapiteln „Ehrsucht”, „Herrschsucht” und „Habsucht”, berichtete uns Tim Prell;
„Vom Charakter als der Denkungsart” hat Dorothea Höck für uns behandelt, wobei von besonderem Interesse das Kapitel ist, das Kant überschreibt: „Von den Eigenschaften, die bloß daraus folgen, daß der Mensch einen Charakter hat oder ohne Charakter ist”.
Gemeinsam haben wir uns gründlich um den § 40 (mit seiner Unterscheidung von Geschicklichkeit, Klugheit und Weisheit) bemüht, und, ergänzend dazu, um den § 56, da Kant drei Hauptfragen drei Erkenntnisvermögen zuordnet:
   Was will ich? (frägt der Verstand)
   Worauf kommt’s an? (frägt die Urteilskraft)
   Was kommt heraus? (frägt die Vernunft)
und dann, wenig später, die drei Schritte anzugeben wagt, die zur Weisheit führen.

Außerdem haben wir – zur Aufheiterung der ganzen Veranstaltung – uns einmal mitgeteilt, was uns an Kantischen Geistesblitzen besonders unverzichtbar ist. Mir zum Beispiel: „Die Frau will herrschen, der Mann beherrscht sein (vornehmlich vor der Ehe).” An solchen Aphorismen kann man wahrscheinlich ablesen, mit welchem Witz wir es hier zu tun haben ...

Schließlich machte das den rechten Übergang zu Baltasar Graciáns „Handorakel”, das uns Hugo Sattler vorgestellt. (Von Gracián sind auf Deutsch außerdem erschienen: „Der Held” und „Der kluge Weltmann”.)

Zuletzt hat uns Marion Brück einen der klügsten Aufklärer nähergebracht: den Freiherrn von Knigge.

Soviel zum Programm. Von diesem Treffen an begleitet uns Frau Dr. Nho, die an einer Universität in Südkorea Philosophie lehrt, für dieses Wochenende eigens nach Deutschland kam und demnächst ein von Lehrverpflichtungen befreites Jahr in Köln verbringen wird.


Zuletzt zwei Literatur-Empfehlungen, die ich gegeben hatte. Z
ur Ergänzung der Knigge-Lektüre ist vorzüglich geeignet das Buch des Äthiopischen Prinzen Asfa-Wossen Asserate: "Manieren". Und empfohlen habe ich außerdem (zur Ergänzung unserer Hadot-Lektüren) das Buch des französischen Philosophen André Comte-Sponville: "Ermutigung zum unzeitgemäßen Leben".
Außerdem habe ich ankündigt, daß wir uns demnächst mit dem kürzlich erschienenen Werk von Rainer Marten, "Die Möglichkeit des Unmöglichen. Zur Poesie in Philosophie und Religion", beschäftigen werden.

Das Zeitschema:

Samstag, 20. Jan. 2007:

(Nicht obligatorisch, sondern fakultativ: ab 9:30 bis zum Beginn der gemeinsamen Arbeit stehe ich gern „zur Verfügung”, sei es für Fragen, die zum Beispiel die anstehenden Referate betreffen, sei es für anderes, das der eine oder andere besprechen will. Wer in der nahegelegenen Pension übernachtet, ist herzlich eingeladen, sogleich nach dem Frühstück zu uns herüberzukommen: Arbeitsplätze stehen ausreichend zur Verfügung und eine umfangreiche Bibliothek schließlich auch. Und natürlich können wir uns auch einfach ein wenig „verplaudern”. Einen Kaffee oder Tee dazu gibt es obendrein.)

11:45 - 13:00 Uhr:
1. Arbeitseinheit: Kant, Anthropologie (Gerd Achenbach, Barbara Hawelleck, Frederik Schlenk)
13:00 - 14:00 Kleiner Imbiß bei uns im Hause
14:00 - 16:15 Uhr:
2. Arbeitseinheit: Kant, Anthropologie (Margret Zemp, Achenbach, Sylvia Kramer; den Abschnitt über „Lange Weile und Kurzweil”, den zunächst Mijam Musica vorbereiten wollte, sehen wir uns gemeinsam an.)
16:15 - 16:45 Kaffeepause
16:45 - 19:00 Uhr:
3. Arbeitseinheit: Kant, Anthropologie (Tim Prell, Peter Gutmann, Dorothea Höck)
19:00 - 20:00 Abendessen bei uns im Haus: Wir bestellen beim Pizza-Service
20:00 - 21:00 Uhr:
Kant: „Von der Macht des Gemüths ...” (Sebastian Hilgard) Beratungsbeispiele. (Achenbach)

Sonntag, den 21. Januar 2007 / Programm des 2. Tages

09:30 - 11:00 Uhr:
4. Arbeitseinheit: B. Gracián (Hugo Sattler)
11:00 - 11:30 Kaffeepause
11:30 - 13:00 Uhr:
5. Arbeitseinheit: Knigge (Marion Brück)
13:00 - 14:30 Mittagessen auswärts
14:30 - 16:00 Uhr:
Gespräch über die Perspektiven des zurückliegenden Wochenendes und „Die Ordnungen der Philosophischen Praxis 6”

 




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