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Die Gesellschaft für Philosophische Praxis GPP lädt ein zum

Philosophisch-literarischen Neujahrswochenende


im Gästehaus des Klosters Steinfeld (Eifel)


Freitag abend, 11. Januar bis Sonntag mittag, 13. Januar 2019

Martin Walser


Ein Einsamer: Berühmt, umschwärmt, gefeiert - wenig verstanden



Seminarleitung: Dr. Gerd B. Achenbach

Blick in den Klosterhof<br>Foto: Achenbach
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Blick in den Klosterhof
Foto: Achenbach

Das letzte „Philosophisch-literarische Neujahrswochenende”, Martin Mosebach gewidmet, hatte ich im Untertitel nahezu gleich angekündigt. Da hieß es in Bezug auf jenen anderen Martin:
    „Seine essayistischen Interventionen,
    sein Angriff auf das Juste milieu des
    neuerdings weltfrohen Katholizismus
    und die luzide Seelenkunde
    dieses Romanschriftstellers ...”
Auf diese Weise wollte ich schon auf dem Deckblatt dieses Programms andeuten, wie sehr ich eine Gemeinsamkeit des Profils der bisher vorgestellten Intellektuellen, Schriftsteller oder Denker mit dem Mann des hier anzuzeigenden „Philosophisch-literarischen Neujahrswochenende” sehe: Ob nun Botho Strauß (2015), Bernhard Schlink (2016), Navid Kermani (2017), Martin Mosebach (2018) oder jetzt Martin Walser ‒ sie alle sind Gegenwartsautoren, die nicht nur als Schriftsteller, sondern zugleich als Essayisten Beachtung finden, als „Unzeitgemäße” im strengen Sinne Nietzsches, mithin es sind solche, die nicht nach der Pfeife tanzen, vielmehr eigene Wege gehen und insofern verdienen, „Dissidenten” zu heißen, wörtlich: „beiseite Sitzende”.

Doch zu Martin Walser, dem Mann, mit dem ich den Auftakt zum Neuen Jahr gestalten möchte:

    „Das Erlebnis des Verstandenwerdens ist das heftigste Erlebnis überhaupt.”

Das ließe sich, in dieser aphoristischen Verknappung, in den Kanon der Motti zur Philosophischen Praxis aufnehmen. Ich führe aber diesen Satz Martin Walsers an, weil so nur einer schreibt, dem es am Erlebnis des Verstandenwerdens fehlt. Eben darum wird das „Philosophisch-literarische Neujahrswochenende”, das ich hier ankündige, nicht zuletzt der Versuch einer Wiedergutmachung sein.
Übrigens ist das Bemerken dessen, „was fehlt”, womöglich das Wasserzeichen im Werk dieses Mannes; überall nahm er wahr, was andere, vom täglichen Gerede narkotisiert, verläßlich übersahen oder überhörten: Sei es, daß er Jahre bevor zusammenkam, was zusammen gehört, nicht hinnehmen mochte, wenn von Deutschland nur noch im Wetterbericht die Rede war ‒ der Name dieser Nation bezeichne „ein Fehlendes”, schrieb er damals ‒, sei es, daß er nun, als der Alte, in lakonischer Kürze erklärt: „Gott ist nicht tot. Er fehlt.”
Ulrich Greiner hat einmal in einer Besprechung geschrieben, Dichtung entstehe „aus der Erfahrung des Mangels”, ein treffendes Wort zumal über das schriftstellerische Werk Martin Walsers. In dessen (spätem) Goethe-Roman, „Ein liebender Mann”, heißt es denn auch vom alten Goethe, der sich in Marienbad in die junge Ulrike verliebte: „Er hatte sich geübt, ihre Abwesenheit als ihre Form der Anwesenheit zu denken.” Ohren, die religiös hellhörig blieben, vernehmen in dieser Wendung mehr als nur ein Liebesbekenntnis, das an ein junges Weib gerichtet wäre.
Ich schätze Walser jedoch nicht nur als den Autor lesenswerter Romane, sondern als den Intellektuellen, der sich mit Reden und Essays zu Worte meldete und dabei oftmals ‒ was einsam macht ‒ zu früh kam. Das dokumentieren die Sammlungen „Über Deutschland reden” (1988) und „Deutsche Sorgen” (1997). Die letztgenannte Anthologie übernimmt übrigens den Titel jenes Textes, der 1993 in der Reihe dreier SPIEGEL-Essays die Wende im geistigen Klima der Bundesrepublik einleitete ‒ der „Anschwellende Bocksgesang” von Botho Strauß und Hans Magnus Enzensbergers „Ausblicke auf den Bürgerkrieg” waren die zwei anderen. Und schon lange vor seinem unbotmäßig erstatteten Dank bei der Entgegennahme des Friedenspreises 1998, den „Erfahrungen beim Verfassen einer Sonntagsrede”, hatte Walser im SPIEGEL mit dem Text „Über freie und unfreie Rede” Einspruch gegen die „Moralorgel des Feuilletons” erhoben und das Bekenntnis abgelegt: „Ich erröte nicht auf Befehl”.
Wir werden uns vor allem von seinem Goethe-Roman „Ein liebender Mann” beschäftigen lassen, dazu von seiner Novelle „Mein Jenseits” (aus dem Roman „Muttersohn”). Außerdem aber von jener Rede, die Walser am 9. Nov. 2011 (was für ein Datum!) vor Studenten in der Universität Harvard hielt: „Über Rechtfertigung, eine Versuchung”.
Selbstverständlich sehen wir uns auch die seinerzeit so heftig umstrittene Paulskirchen-Rede an.

Und hier eine Programm-Erweiterung:

Zu dem, was bisher als Programm angekündigt ist, werde ich außerdem jenes buch-umfängliche Gespräch vorstellen, das Walsers leiblicher Sohn, Jakob Augstein, mit seinem alten Vater führte und im vergangenen Jahr unter dem feinen Titel „Das Leben wortwörtlich” veröffentlichte.
Ich habe gerade dieses tief anrührende, mich nachhaltig bewegende Dokument gelesen und während der Lektüre denken müssen: aus diesem besonderen Gespräch, das die beiden Männer da miteinander führen, werde ich vieles an „unserem Wochenende” auswählen und anführen, was, da bin ich sicher, dann seinerseits unser Gespräch fördern wird.
Manches findet sich in dieser Unterhaltung mit dem Autor „im doch eher vorgerückten Alter” - wie der damals Neunzigjährige sich selber nennt -, was sich als überzeugendes Exempel jener von Goethe so bestimmten Altersweisheit nehmen ließe: Der Alt-Klassiker nannte sie den „Mystizismus”, zu der sich das hohe Alter gern bekenne, nachdem man im Verlaufe seines Lebens so vieles Vernünftige habe scheitern und Unvernünftiges gelingen sehen. Und Walser? Sagt:
    Ich wollte immer etwas anderes, als mir passiert ist, aber mir ist genau
    das Richtige passiert.

Oder:
    An den wichtigen Kreuzungen habe ich die Weichen nicht selber gestellt,
    das weiß ich.

Ich bin überzeugt, es lassen sich von diesem vorzüglichen Gespräch ausgehend die subtilsten Aufschlüsse zum Verständnis seines sonstigen Werkes finden. So beispielsweise die Versuche, sich mit seinem (ihm erst so spät bekanntgewordenen) Sohn über die Liebe ‒ oder, worauf Walser insistiert, über „das Lieben” ‒ zu verständigen; ein lebensbedeutsames Kapitel nicht zuletzt im Blick auf das Werk, das uns beschäftigen wird, also seinen Goethe-Roman „Ein liebender Mann”. Wir wissen ja, wie sehr die Liebe auch sonst die Angel ist, um die seine Romane sich drehen. Und nun erklärt er hier in seiner Unterredung mit dem Jüngeren, zu lieben habe vor allem „mit einem gegenseitigen Begreifen zu tun”. Pointiert: „Der liebende Mensch will begriffen werden.” Nur deshalb auch sei es möglich, was dem Liebenden ja zum zaghaften Bedürfnis werde, nämlich: „In der Liebe enthüllst du dich”. Und dann: „Nichts ist wichtiger als die Antwort, die deine Selbstenthüllung hervorruft.” Denn „deine Selbstauslieferung ist eine rührende, aber auch eine sehr riskante Angelegenheit”.
Auf solche Weise eröffnen sich die Beiden beachtenswerte Horizonte, in die sie das Lieben rücken, bis sich schließlich derselbe Gesichtspunkt ‒ Liebe als die Sehnsucht, begriffen zu werden ‒ noch einmal dialektisch dreht und mit einem Gedanken des (von Martin Walser besonders geschätzten) Autors Rudolf Borchardt in abermals höhere, wenn nicht höchste Höhen transformiert wird: Borchardt, so Walser im Tonfall verehrenden Respekts, habe nochmals überbietend den ‒ freilich nahezu überfordernden ‒ Gedanken gewagt, der wahrhaft Liebende wisse liebend anzuerkennen, daß er den Geliebten (die Geliebte) letztlich nicht begreife. Ein Beispiel für die dialektisch radikalisierende Bewegung, die sich hier wie oft auch sonst durch das Gespräch dieser zwei profilierten Denker hindurch zieht.

An einer Stelle, bereits spät in jenem Buch, macht Martin Walser ein Geständnis, das sich subtil an das Wort anschließt, das ich zum Motto unseres Wochenendes gekürt und deshalb ins Programmblatt aufgenommen hatte (s.o.):
    Das Erlebnis des Verstandenwerdens ist das heftigste Erlebnis überhaupt.
Hier nun das erwähnte Bekenntnis aus dem Gesprächsband „Das Leben wortwörtlich” dazu:
    Ich kann ... nur sagen, dass ich auch in meinem doch eher vorgerückten Alter [da
    haben wir die schon zitierte charmante Selbstdeklaration ...] eine Fähigkeit noch nicht
    erlernen konnte: in aller Ruhe auszuhalten, missverstanden zu werden.

Das Motiv dahinter benennt er freimütig gleichfalls:
    Ich will [im Grunde] nur sehen, ob ich allein bin mit meinen Gedanken. Und wenn ich
    feststelle, dass ich nicht allein bin, dann beruhigt mich das. Denn ich will
    nicht allein sein.

Das ermöglicht mir noch einmal zu sagen, was mein Anliegen an jenem bevorstehenden Wochenende im Januar ist: Einen Autor so verstehen, daß er sich von uns verstanden wissen darf, oder: Ihn in seiner Einsamkeit besuchen und eine Weile seine Einsamkeit mit ihn teilen. Oder nochmals anders: Im Gegensatz zur heute gewöhnlichen Redensart, die meint, es gehe darum, mit einem Autor sich „auseinanderzusetzen”, lade ich gerade dazu ein, sich mit ihm zusammenzusetzen ‒ so wie in diesem kürzlich erschienenen, höchst lesenswerten Buch sich Sohn und Vater zusammensetzten.

Als Anmerkung: Es sind noch einige letzte Plätze für das Wochenende (11. bis 13. Jan.) zu vergeben; die Anmeldung dazu (siehe hier !) sollte allerdings möglichst rasch erfolgen.

Zuletzt: Im Ranking, das - inzwischen zum 5. Mal - von der Zeitschrift „Cicero” veröffentlicht wurde und das die „500 einflußreichsten Intellektuellen Deutschlands” auflistet (nach übrigens korrekt nachvollziehbaren Kriterien ermittelt), gelangt Martin Walser, vor Peter Sloterdijk, auf den 1. Platz. (Siehe hier !) Schön, schön.
Ich bin dennoch überzeugt - wie ich oben zur Ankündigung der Veranstaltung schrieb -, daß Martin Walser in Wahrheit ein „Einsamer” ist: „Berühmt, umschwärmt, gefeiert” ‒ das wohl, doch „wenig verstanden ...”



Im Kloster-Park, Foto: Achenbach
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Im Kloster-Park, Foto: Achenbach

Das Gästehaus (Teilansicht) Foto: mit freundlicher Genehmigung des Klosters
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Das Gästehaus (Teilansicht) Foto: mit freundlicher Genehmigung des Klosters

Zum Kloster Steinfeld:


Das alte Anwesen,
dessen bereits zweite Gründung ins frühe 12. Jahrhundert
zurückweist und dessen barocke Ausgestaltung ins späte 17. Jahrhundert datiert ‒ wie die Aufrichtung des heutigen Hauptgebäudes ‒, beherbergte lange Zeit ein angesehenes Internat, geleitet von den Salvatorianern.
Weithin berühmt sind die Basilika und die ihr zugehörige barocke Orgel, während der großzügig angelegte, weitläufige Park zu Spazierwegen in den Seminarpausen einlädt.
Das Internat wurde vor Jahren geschlossen und das Gebäude, das ehemals die Schüler beherbergte, kernsaniert und von Grund auf neu gestaltet.
Die stilvoll gestalteten Zimmer präsentieren sich im gehobenen Vier-Sterne-Standard. Das Steinfelder Klosterbier steht gut gekühlt in der Minibar und das bequeme Boxspringbett (mit 2,10 m langen Matratzen) bietet höchsten Liegekomfort. Jedes der 26 - 35 m2 großen Zimmer hat seinen eigenen Charme und eröffnet durch die hohen Fenster Ausblicke ins satte Grün des Klostergartens.
Hier  der Link zum Gästehaus.




Zum Programm:

Anreise am Freitag, den 11. Januar 2019 am frühen Abend, so daß wir gemeinsam um 18:00 Uhr zu Abend essen können.
Danach, um 20:00 Uhr, Begrüßungsrunde und Einführung.
Die eigentliche „Arbeit” beginnt dann am Samstag um 10:00 Uhr, unterbrochen von einer Kaffeepause. Nach dem Mittagessen und einer anschließenden Ruhepause sind wir um 14:30 Uhr eingeladen, an einer gut einstündigen Führung durch das Kloster und die Kirche teilzunehmen. Im Anschluß daran gibt's Kaffee und Kuchen, und danach die Fortsetzung des Seminars in dem (übrigens ebenfalls neu ausgestalteten und neu möblierten) Seminarraum.
Abendessen um 18:00 Uhr. Abends: In einem gemütlichen Kaminraum Ausklang in einer lockeren Gesprächsrunde beim Klosterbier oder einem Glas Wein, mit dem wir uns aus dem bereitstehenden Kühlschrank selbst bedienen.
Am Sonntag setzen wir das Seminar von 10:00 Uhr bis zum Mittagessen (mit einer Kaffeepause) fort, um es damit abzurunden. Oder bleiben Fragen?


Alles Weitere, Kosten, Anreise etc. finden Sie hier.

 




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