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Sommertage in Leck [Philosophische Praxis Gerd B. Achenbach] || nach oben springen || Startseite Achenbach-PP.de
Philosophisch-literarische Sommertage
im hohen Norden
an der Grenze Dänemarks zwischen den Meeren
Hans Christian Andersens
Märchen für Erwachsene,
die auf dem Wege der Weisheit zum Kinde sind
Eine Veranstaltung der GPP in der "Nordsee Akademie Leck"
Dozent: Dr. Gerd B. Achenbach
Der Termin: Von Dienstag, den 23. August abends, bis Sonntag, den 28. August nach den Frühstück.
Das ist die offizielle "Seminar-Zeit".
Doch wer mochte, reiste bereits am Sonntag, den 21. August, an, und unternahm mit mir und Sylvia einen Ausflug am Montag auf die Hallig Hooge (auf der "Hauke Haien" ) und am Dienstag einen Ausflug zum Noldemuseum Seebüll und in die dänische Kleinstadt Tondern. (Leck liegt exakt zwischen der Nord- und der Ostsee ...)
Andersen? Märchen? Jawohl. Und wir werden sehen: Mit diesen oftmals kleinen, lakonischen Ungeheuerlichkeiten, denen der Däne den Schleier des Märchen umgetan hat, kommen wir nicht so leicht ins Reine. Es sind Geschichten, die im genauesten Sinn des Wortes „zu denken geben” - und die besten „lassen einen nicht los”.
Hören wir, wie dieser Meister seinen Stoff mit einem einzigen ersten Satz bei der Gurgel packt:
„Es kam eine Ente aus Portugal, manche sagten aus Spanien, doch das ist einerlei; sie wurde die Portugiesische genannt, sie legte Eier, wurde geschlachtet und aufgetragen; das war ihr Lebenslauf.” Fängt so ein Gute-Nacht-Geschichtchen für unsere Kleinen an?
Einer der subtilen Kenner dieses hochkarätig schwierigen - fast dürfte man sagen: „unzugänglichen” - Genies, hat richtiggestellt: „die Vorderseite” seiner Märchen sei für die Kinder bestimmt, „deren Verso aber für Erwachsene”. (So Michael Maar, der ein anderes mal formulierte: „Andersen schrieb für die großen Leser, aber er kapert sie in der Kindheit.”)
Sollte ein Zeuge nötig sein, der solche Wertschätzung bestätigt, hier ist er: Eine Zeitschrift befragte Thomas Mann, welches Buch für ihn den stärksten Eindruck hinterlassen habe, und erhielt zur Antwort: Er könne jetzt natürlich sagen, „Die Welt als Wille und Vorstellung” oder Nietzsche oder Tolstoi. Doch in Wahrheit seien es Andersens Märchen gewesen ...
Hans Christian Andersen, 1805 nicht nur in ärmlichen Verhältnissen geboren, sondern in dubiosen (es gibt ernst zu nehmende Spekulationen, er sei der leibliche Sohn des späteren dänischen Königs, Christians VIII, gewesen, so daß er selbst ein rechter „Schwanenjunge” wäre ...), hat es den späteren Hagiographen nicht leicht gemacht: Wie „ehrt” man einen Dichter, der so offenkundig von verquerer, peinlich eitler, hypochondrischer, extrem kränkbarer, insgesamt schwächlicher Natur war, der reizbar, oftmals hämisch, nicht selten neidisch, immer geizig, ehrpusselig und geltungssüchtig, - in Sexualia - „gehemmt und verklemmt” war (Georg Brandes: „Er wurde zwar ein großer Mann, aber ein ‚Mann’ wurde er nicht”), der noch auf den Höhepunkten seines Ruhmes, als der gefeierte Star an zahlreichen europäischen Höfen (u. a. in Weimar), seine Minderwertigkeitsgefühle nicht zu überwinden vermochte und inmitten des Trubels, den man um ihn und für ihn veranstaltete, einsam war?
Um’s klar zu sagen: Man sollte aus diesem Menschen nicht den „guten Märchen-Onkel” machen. Er war es nicht. Im Gegenteil. Ein Unzufriedener war er, einer, dem’s niemand recht machen konnte und nichts recht war. Ein Phobiker vor dem Herrn war er außerdem. Ein Detail? Nie soll er sich zu Bette gelegt haben ohne den Zettel auf dem Nachtschrank mit der Meldung „Ich bin nur scheintot”. So sehr fürchtete er, man könne ihn lebendig begraben. Das Andersen-Museum in Odense (das wir, wie auch das Andersen-Hus, besuchen werden), zeigt den Strick, hübsch zur Schlange aufgerollt, den er auf seinen zahllosen Reisen stets bei sich trug. Warum? Falls das Hotel Feuer finge, gedachte er sich damit abzuseilen ...
Inzwischen fragt sich womöglich der Leser: Wirbt man so für eine Veranstaltung, die sich fast fünf Tage lang mit diesem Menschen und mit dessen Werk beschäftigen will?
Meine Antwort: Es wird Zeit zu begreifen, daß es gerade die Schwächen, die Unzulänglichkeiten, die Verschämtheiten, daß es die Verschlagenheit dieses so ganz und gar ungefestigten Charakters waren, auf denen, wie auf wunderlichstem Humus, dieses sonderbare Werk gedeihen konnte. Kommen uns wieder mal die Schlaumeier der Psychologen-Innung, die besorgt mit ihren Köpfen nicken und uns über die fatalen Folgen verdrängter Homosexualität belehren wollen, frage ich zurück: Habt Ihr schon darüber nachgedacht, daß große, überragende Kunst im Sumpf gedeiht ‒ und nicht auf den sauberen Tafeln einer analysierten Seele? Wer, wenn nicht ein so Verzweifelter, Unverstandener, Zurückgestoßener wie dieser Andersen hätte wohl sonst das Märchen von der „kleinen Meerjungfrau” zu schreiben vermocht? Und wer, wenn nicht ein so durchtriebener, sogar rachsüchtiger Mensch wie dieser Odenser sollte in der Lage gewesen sein, das Märchen „Vom kleinen und vom großen Klaus” zu erfinden? Auf gerade mal elf Seiten geschehen da ein Mord, ein Totschlag, ein Selbstmord, hinzu kommen drei Mordversuche sowie ein ordentlicher Ehebruch. Die fünf hingeschlachteten Pferde, jede Menge Lug und Trug und häßliche Betrügereien sind da noch nicht mal mitgezählt. Ein Märchen für die Kleinen?
Oder ist je eine traurigere Geschichte erzählt worden als „Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern”? Aber: Ist diese grausame Silvester-Geschichte - die drinnen, im Warmen, die feiern und prassen, draußen, in bitterer Kälte, erfriert das Kind ‒ wirklich traurig und sonst nichts? Hat sich da vielleicht ein Stück weit Himmel aufgetan - und die Prasser haben’s nicht bemerkt?
Ich schlage vor: Vergessen Sie für eine Weile die allzu bekannten Märchen des Dänen, lassen wir also dem Kaiser die neuen Kleider und der übersensiblen Prinzessin die Erbse unter dem Matratzenstapel. Nehmen wir uns statt dessen einige jener anderen, abgründigen, ineinandergefalteten und paradox vertrackten Geschichten vor: „Tante Zahnweh”, „Die Schneekönigin” - ein Märchen, das die Auf- und Abgeklärten in ein Licht taucht, von dem sie selbst verläßlich nichts verstehen ... -, „Die Nachtigall” - die so anhebt: „In China, das weißt du ja wohl, ist der Kaiser ein Chinese, und alle, die er um sich hat, sind auch Chinesen”, was Elke Heidenreich kommentierte: „Mit diesem Satz hat mich die Geschichte schon.” -, „Der Schatten” - eine Lektion in Hegelscher Dialektik -, ja, und dann „Die kleine Meerjungfrau”, dieses Meisterstück und Schlüsselwerk lesen wir natürlich auch, und zwar besonders gründlich. Da heißt es freilich für die religiös Unmusikalischen (oder Tauben): „Wir müssen leider draußen bleiben”.
Schließlich wollen wir sehen, wie Motive aus Andersens Märchen in großen Werken nachreiften: In den Romanen Thomas Manns, Kafkas und anderer.
Ganz zum Schluß noch eines:
Was sollen uns Märchen überhaupt? Haben sie sich in den modern times nicht überlebt, da sich schon die Kleinsten altklug plustern? Eben ...
Die Weisheit ist nicht bei den Kindern, sondern bei denen, die auf dem Weg zu einer zweiten Kindheit sind.
Und hier das Programm im Überblick:
Dienstag, 23. August
bis 18:00 Uhr: Anreise, Abendessen
20:00 Uhr Lesung einiger der weniger bekannten Märchen von Andersen
Mittwoch, 24. August
10:00 Uhr Seminar (mit Kaffeepause)
12:30 Uhr Mittagessen mit Mittagspause
15:00 Uhr Kaffee und Kuchen
15:30 Uhr Seminar
18:30 Uhr Abendessen
Danach: Abendprogramm
Donnerstag, 25. August
10:00 Uhr Seminar (mit Kaffeepause)
12:30 Uhr Mittagessen mit Mittagspause
Wer mag, nutzt die Pause zu einem Besuch des nahegelegenen Noldemuseum in Seebüll
15:30 Uhr Kaffee und Kuchen
16:00 Uhr Seminar
18:30 Uhr Abendessen
Abends: Abendprogramm
Freitag, 26. August
Fahrt mit dem Reisebus hiinüber zur "Märchen-Insel Fünen" u dort nach Odense , dem Heimatort Andersens, wo wir das Andersen-Museum, sein Geburtshaus und das Haus, in dem er aufgewachsen ist, besichtigen werden. Zurück von der Insel wird uns dann ein Schiff bringen.
Samstag, 27. August
10:00 Uhr Seminar (mit Kaffeepause)
12:30 Uhr Mittagessen (mit Mittagspause)
15:00 Uhr Kaffee und Kuchen
15:30 Uhr Seminar
18:30 Uhr Abendessen
Abends: Abendprogramm
Sonntag, 28. August
Frühstück und Abreise nach Belieben im Laufe des Tages.
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Die Neuigkeit: Die „Meister-Klasse Philosophische Praxis”
Der zweijährige Meisterkurs
Alles Nähere dazu hier.
Das neue Buch ist erschienen: „Philosophie der Philosophischen Praxis”
Das Buch: „Zur Einführung der Philosophischen Praxis”
Meine Dissertation über Hegel
1981 in Gießen bei Odo Marquard zum Thema „›Selbstverwirklichung‹ oder ›Die Lust und die Notwendigkeit‹. Amplifikation eines Hegelschen Kapitels aus der ›Phänomenologie des Geistes‹” abgelegt, ist ab jetzt hier im pdf-Format nachzulesen.
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