Freitag-Vortrag vom 29. April 2016
CD Nr. 479

Diesen reizend-schockierenden Titel habe ich mir von Adorno ausgeliehen, der eines seiner Kurzprosastücke in den „Minima Moralia” so überschrieb. Darin heißt es von der „Krankheit der Gesunden”: „Sie sehen aus, als triebe ihre Haut ... Mimikry mit dem Anorganischen. Wenig fehlt, und man könnte die, welche im Beweis ihrer quicken Lebendigkeit und strotzenden Kraft aufgehen, für präparierte Leichen halten, denen man die Nachricht von ihrem nicht ganz gelungenen Ableben aus bevölkerungspolitischen Rücksichten vorenthielt.”
Ein wundervoll böser Text ...
Doch so ganz und gar böse wird der Abend schon nicht werden. Wenngleich mir der Gedanke, es gäbe so etwas wie eine „normale Krankheit”, die ihrer Omnipräsenz wegen gerade nicht zu Bewußtsein kommt, durchaus zusagt.
Und daß es einen Gesundheitswahn gibt, dem sich Krankheitswertigkeit attestieren ließe, möchte ich ebensowenig leugnen.
Doch vor allem soll es um einige philosophisch respektable und anspruchsvolle Bestimmungen dessen gehen, was in Wahrheit Gesundheit heißen dürfte.