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Gerd B. Achenbach: Der "Weltanschauungsstreit" und wie er zu schlichten wäre

Freitag-Vortrag am 3. Aug. 2007 zum "Weltanschauungsstreit" zwischen Evolutionstheoretikern und (neuerdings so genannten) "Kreationisten" und "Intelligent-Design"- Vertretern, sowie zu Schlichtungsvorschlägen von Robert Spaemann und Thomas Mann. CD Nr. 191
Der „Sommer-Skandal”, für den die hessische Kultusministerin Karin Wolff sorgte (oder wohl eigentlich die Journalie, die aus den eher abgewogenen Erwägungen der Ministerin einen Skandal destillierte), ist zwei Jahre zuvor schon einmal durchgespielt worden, als der Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn in der „New York Times” einen Gastkommentar geschrieben hatte mit dem Titel „Finding Design in Nature”.

An den Reaktionen auf Wolffs Überlegungen ließ sich eingangs zeigen, wie die Skandalmaschine auf Touren kommt (beispielhaft an Reaktionen des „stern” u. a.).

Belege dafür, daß sich inzwischen die naturwissenschaftliche Front als die intolerantere erweist. Zitat: „Die Wissenschaften haben heute eher Zugang zum Fach Religion als die Religion zu naturwissenschaftlichen Fächern.”

Mit Blick auf Artikel des Philosophen Ludger Honnefelder und George Coyne SJ (Direktor der vatikanischen Sternwarte) werden zunächst die „normal-offiziellen” Stellungen der religiösen Hierarchie (so von Johannes Paul II und Benedikt XVI) zu den Fortschritten der Naturwissenschaften vorgestellt. Und Erinnerungen daran, daß Darwin studierter Theologe war und Gregor Mendel Augustiner-Mönch.

Kleine Korrektur der Skandalberichterstattung im Falle des Ministerpräsidenten (und Physiker) Dieter Althaus. Zitat Althaus aus einem FAZ-Interview: „Der Glaube, der naturwissenschaftliche Erkenntnisse leugnet, ist genauso falsch wie eine Wissenschaft, die behauptet, Gott könne nicht existieren.”

Zum Klima im Weltanschauungs-Streit und zu der Einführung diffamierender „Ismen”: In konfliktreichen Lagen werden zur Markierung der Gesinnungsgegner solche „Ismen” und „Isten” (Islamisten, Kreationisten, Ultra-Darwinisten usw.) eingeführt und ein Ton wird usus, als gelte es Schädlingsnester auszuräuchern.

Kurzgefaßtes zur Evolutionstheorie: „Darwinsche Evolution beruht auf der Vermehrung aller Lebewesen, Variation ihrer genetischen Anlagen und natürlichen Selektion der unter den jeweiligen Konkurrenzbedingungen reproduktiv Erfolgreichsten von ihnen.”

Es gibt nicht „die eine”, es gibt zahlreiche Evolutionstheorien, und deren Vertreter bezichtigen sich wechselseitig des Irrtums. Beispiel: Wie der Vertreter der evolutionären Paläobiologie Simon Conway Morris seine Kollegen Richard Dawkin oder Daniel C. Dennett als „Ultradarwinisten” tituliert.

Es gibt entsprechend nicht „die eine” kreationistische Theorie, sondern zahlreiche höchst unterschiedliche Positionen. (Wird anhand des recht ordentlichen und umfangreichen „Wikipedia”-Artikel vorgestellt.)

These: Aggressive Weltanschauungen treten selten auf, ohne daß es sogleich zu Sektenbildungen kommt und Kämpfe innerhalb der Lager ausbrechen. Beispiel: Reformation, Französische Revolution, sozialistische Bewegung ...

Aufklärung über einige verbreitete Irrtümer, die über die Evolutionstheorie im Umlauf sind. Beispiel: „Survival of the fittest” – diese Redensart, eingedeutscht von Hitler dankbar übernommen und Parole des sogenannten „Sozialdarwinismus”, der heute in Wirtschaftskreisen Anhänger hat ..., stammt gar nicht von Darwin, sondern von Herbert Spencer. Bemerkungen zu anderen Verkennungen, über die der Biologen Axel Meyer aufgeklärt hat.

Und einige Verkennungen, wie ich vermute, des Axel Meyer seinerseits ...

Die These von Jürgen Habermas: In der Opposition von hartem Naturalismus und biopolitisch erneuertem religiösem Bewußtsein walte eine „geheime Komplizenschaft”. Beide Seiten brächten die Standards wissenschaftlicher Liberalität „gewissermaßen arbeitsteilig in Gefahr”.

Inwiefern die Gefahr davon ausgeht, daß auf der fanatischen Religionsvertreter-Seite Wissenschaftsansprüche erhoben werden, und auf der Seite der Hardliner an der Wissenschaftlerfront Weltanschauungsansprüche. Das Übel ist, daß eine Wissenschaft als kryptoreligiöse Weltanschauung auftritt (wozu besonders Mitglieder aus der Familie der sogenannten „Lebenswissenschaften” neigen ...) und daß Religionsgemeinschaften zur pseudowissenschaftlichen Phantastik ausarten. (Wenzel in der NZZ)

Auch im Blick auf Weltanschauungen ist Gewaltenteilung begrüßenswert. (Erinnerung an Richard Rorty und Odo Marquard.)

Eine exemplarische Korrektur verbreiteter Evolutionsannahmen: Morris’ Theorie der „evolutionären Konvergenz”.

Referat der Überlegungen von Robert Spaemann „Deszendenz und Intelligent Design” (aus: Das unsterbliche Gerücht. Die Frage nach Gott und die Täuschungen der Moderne):

Das gespaltene Weltbild seit Leibniz. regnum potentiae und regnum sapientiae. Warum die Evolutionstheorie (die dem regnum potentiae zugehört) uns nicht hilft, uns zu verstehen. Was „verstehen” naturwissenschaftlich heißt (die Biologie „ versteht” das Bakterium besser als den Menschen).

Drei Thesen Spaemanns:

„Teleologische Erklärungen konkurrieren nicht mit kausalen. Sie lassen uns nur verstehen, warum Kausalreihen auf eine Weise interferieren, die als Ergebnis der Interferenz ein sinnvolles Gebilde entstehen läßt.”
„Selektion kann nur das begünstigen, was schon da ist. Sie ist kein schöpferisches Prinzip, das die Entstehung von kategorial schlechthin Neuem erklärt”.
Teleologie, Auf-Etwas-Aus-Sein, ist etwas Neues in der Evolution, Subjektivität. Oder Innerlichkeit. Vor ihr gilt: „Leben ist nicht ein Zustand von Materie, sondern das Sein eines Lebendigen.”

Zuletzt: Erinnerung an die Ausführungen des Paläoanthropologen Kuckuck aus Thomas Manns „Felix Krull”: In der Evolution ist „etwas hinzugekommen”.

Inwiefern dies mit den anthropologischen Theorien zusammenstimmt, wonach der Menschen „von Natur unnatürlich” oder „von Natur ein Kulturwesen” ist.
 
 




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